Die besengte Glückssau – Episode 06: Epischer Epilog

Die besengte Glückssau – Episode 06: Epischer Epilog

 

Selten hatte das Plünd… äh… Aufräumen nach der Schlacht dem alten Soldaten soviel Freude gemacht. Sie kamen mit dem Einsacken des Plunders kaum hinterher. Einiges musste über Nacht draussen bleiben. Zum Glück rostete Feingold ja nicht. Was der tobende Drache so locker aus dem Schuppenpanzer geschüttelt hatte, übertraf den Jahressold mancher Armee, in der er gedient hatte. Typisch Milliardär – dieses Kleingeld war es Egotrump nicht einmal wert, sich zum Aufheben zu bücken.

 

 

Beim Blick in den Kerker gingen den Drachenverscheuchern erst recht die Augen über. Die Lagerstatt des Lindwums bedeckten mehr Klunker, als Zwiebackkrümel das Feldbett des alten Soldaten. Und das waren nicht wenige. Soeben wurde ihm peinlich bewusst, dass er sein eigenes Quartier fast ebenso lange nicht geputzt hatte, wie das Untier den Kerker. In Gedanken setzte er einen Trupp Raumpflegerinnen auf die Anheuerliste seines zukünftigen Personalbedarfs. Auch die Ruine würde renoviert werden. In einer, aber nur einer einzigen Sichtweise stimmte er gern mit Weissglut überein: Sollte der Rubel rollen, wohin er wollte. Es war mehr als genug davon auf Lager.

 

 

Im Laufschritt erklomm der alte Soldat die Turmspitze. Unter dem Arm ein frisch genähtes Banner. Jetzt hiess es, Flagge zu zeigen.  Hmm. Irgegendetwas stimmte nicht. War Petrus genauso ausser Puste, wie er nach dem rasanten Treppensteigen? Irritiert reckte er einen angeleckten Finger himmelwärts. Kein Lüftchen wehte. Ausgerechnet im Augenblick ihres epochalen Sieges! Nun denn. Wenn das Wetter nicht mitspielte, war eben schiere Muskelkraft gefordert.

Mit stolzgeschwellter Brust hisste er die brandneue Fahne am verwaisten Flaggenstock und schwenkte sie wild hin- und her. Obwohl allenfalls Carl und Frieda seinen ungewohnt sportlichen Eskapaden von unten zusahen. Das Flaggensignal war dem historischen Stellenwert ihrer Heldentat geschuldet. Keine verklärte Mythenbildung würde ohne diese Schlüsselszene auskommen. Er war fest entschlossen, sie zu liefern.

So präsentierte er denn der abwesenden Weltbevölkerung eine reichlich revolutionäre Farbkombination, die ihren Triumpf allegorisch wiederspiegelte:

Ganz oben das funkelnde Drachengold. Pure Protzsymbolik, aber extrem aussagekräftig über die Liquidität und Bonität des Bannerinhabers. Dem Reichtum gebührte seit Urzeiten der Spitzenplatz jeder Gesellschaftspyramide. Wer blickte schon zu Bettlern auf?
Im Zentrum prangte das Schuppenrot des überwältigten Lindwurms. Wahrzeichen ihrer rumreichen Tapferkeit und kompromisslosen Ergebnisorientierung.
Als Basis das Tiefschwarz von Ruß und Asche. Ein Ideales Phönix-Sinnbild des Wiederauferstehens aus der Katastrophe. Tatsächlich hatte es auch ökonomische Gründe, die einen Kontrapunkt zum güldenen Streifen bildeten. Schwarzer Textilfarbstoff war extrem billig und übertünchte einfach alles.  Nicht umsonst hatte sich das Lützow’sche Freikorps schon anno 1813 reichlich damit eingedeckt. In den Befreiungskriegen gegen den kontinentalen Brandstifter Napoleon. Auch ein Wesen ungeheurer Macht und Feuerkraft, das am Ende sein sprichwörtliches „Waterloo“ erlebte.

Das einprägsame Design wurde übrigens von einem hambacher Patrioten-Franchise aufgegriffen. Um Urheberrechtsprobleme (und teure Lizenzgebühren) zu vermeiden, stellten die Raubkopierer das Original zu einem „Schwarz-Rot-Gold“ auf den Kopf. Und dichteten den Streifen flugs eine pseudohistorische Ersatz-„Legende“ an. Schwarzes Pulver, rotes Blut und goldene Freiheit. Das übliche, schwärmerische Salonrevoluzzer-Geschwafel.  „Geschenkt“, dachte der alte Soldat, der angesichts seines höchst erfreulichen Privatschatullenstandes nicht wirklich nötig hatte, Kriege vom Zaun zu brechen. Erst recht keine Papierkriege.

So weht denn sein Banner auch heute noch zu tausenden im Wind. Wer von Euch des wackelfreien Yoga-Kopfstandes mächtig ist, wird seinen wahren Sinn erfassen.

 

Auch bei den Piepmätzen hatte sich endlich der ersehnte Nachwuchs eingestellt.
Fröhliches Gezwitscher würde bald die Morgenluft erfüllen.
„Was die wohl Schnuckeliges ausbrüten werden?“, fragte sich der der Alte Soldat erwartungsvoll. Lustig, eines der Eier sah sogar geschuppt aus. Sollte er es Carl zeigen? Der kam immerhin aus der Metropole München und kannte vielleicht einen Ornithologen. Aber dann hielt er doch lieber den Schnabel.

 

 

„Wenn man nicht ständig von Berufswegen aus wachsam sein muss“,
sinnierte der alte Soldat, und lümmelte sich wohlig auf seiner Liege, „dann sieht die Welt schon ganz anders aus. Die kleine Wolke auf 9 Uhr erinnert mich erstaunlich an eine Bierblume. Ich glaube, ich gönne mir noch einen Schluck vom Frischgezapften“.

Frieda grunzte zufrieden. Immer dieselbe Wolkendeutung, die er mehrmals täglich verzapfte. Genüsslich knabberte sie am Premium-Glücksklee, der knackfrisch per Kuriertaubenstaffel aus Irland eintrudelte. Auch wenn ihr heimisches Fortunafutter schon wieder anfing zu spriessen. Auf diese gelegentlichen exotischen Gaumenfreuden würde sie nicht mehr verzichten. Genau wie auf den fantastisch temperierten Fangoschlamm, in dem es sich so saumässig suhlen liess. Die mageren Sparschweinjahre waren endgültig vorbei. Ausgerechnet dank dieses egozentrischen Schaumschlägers.
„Prost Drachenherrscher!“ schmunzelte der alte Soldat, deutete eine salutierende Geste an und blies den Schaum vom Krug.

 

 

„Die ständigen Auftragsarbeiten waren nicht wirklich prickelnd“, dachte Carl Spitzweg, nachdem er sein franzeusisches Schampusglas abgestellt und die Palette aufgegriffen hatte. Immer häufiger fand er sich vor der Bastei ein und genoss die Entspannung unter Freunden. Wie paradox war seine Laufbahn verlaufen. Immerzu musste er ausgerechnet arme Poeten, verfallene Basteien und kleinbürgerliche Idyllen auf die Leinwand bannen, um nicht in dieselbe Finanznot zu geraten, wie die Protagonisten seiner Bilder. Seine spleenigen, vermögenden Kunden fuhren auf dieses sozialschwache Sujet ab, wie Schmitts Perserkatze.

Finanziell unabhängig, konnte er seiner künstlerischen Kreativität nun freien Lauf lassen. Was scherten ihn noch Kaktusliebhaber und Bücherwürmer. Die durften die angestellten Kopisten seines Ateliers gern massenhaft in Serie fertigen. Er selbst war zum Lindwurm-Portraitmaler geboren! Nicht ohne Stolz betrachtete er die herrlich düstere Drachenszene. Er war seiner Zeit zu weit voraus. Sie würde sich kaum verkaufen. Dennoch blickte er rosigen Zeiten entgegen. Es galt noch so viele Drachenarten zu verewigen! Als die Strahlen der Nachmittagssonne auf die Zinnenspitzen fielen, stellte er eine neue Leinwand auf die Staffelei. Er würde ein letztes Werk alter Machart dazwischenschieben. Dem strickenden Soldaten ein Borstenvieh zu Seite stellen, dass sich sauwohl fühlte. Den Titel hatte er schon im Kopf. Ein Insidergag. „Frieda im Lande“.

 

 

 

Und so kehrte schließlich dauerhaft Ruhe in der Ruine ein. Die militärische Nutzung der Bastei wurde von ihren Bewohnern eigenmächtig in einen privaten „Churpark“ umgewidmet. War die Gefahr, aufzufliegen, doch gleich Null. Der geheime Gefangene war entfleucht und königliche Kontrollen gab es hier am AdW ohnehin nicht. Allenfalls hätte es einem aufmerksamen, adleräugigen Wanderer auffallen können, dass der alte Soldat nicht mehr auf seinem schlechtdotierten Posten stand. Doch selbst dafür hatte der Veteran vorgesorgt und einen gutgeschnitzten alten Knacker aus dem Scherzgebirge auf die Turmspitze gepflanzt. Carl hatte es sich nicht nehmen lassen, dem Dummy höchstpersönlich das bärbeissige Klaviertastengrinsen ins Gesicht zu malen.

 

 

Tagaus, tagein, bei Wind und Wetter würde dieser Vertreter vorweihnachtlicher Volkskunst nun stumm, standhaft und zweckfrei in die Ferne spähen. Lediglich Fortuna könnte einen Muskelkater riskieren. Vom Dauergrinsen, sobald ihr Blick auf ihre Lieblinge fiel.

Und schon kommen wir zur unausweichlichen Moral von der Geschicht‘:

Egal, ob ihr mit Gold und Glück gesegnet seid. Legt euch entspannt in die Sonne. Irgendein Holzkopf findet sich immer, der die anfallende Arbeit erledigt.

 

ENDE.

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