Die besengte Glückssau – Episode 03: Ein spurtstarkes Spanferkel

Die besengte Glückssau – Episode 03: Ein spurtstarkes Spanferkel

 

Aus der dürftigen Sicherheit des Turmfenster liess der alte Soldat einen Regen von Frotzeleien auf den Störenfried heruntergehen. Nach der vierten Schmähwelle fühlte er sich um Jahrzehnte verjüngt. Erstaunlich, wie viele Schimpfworte, Herabsetzungen und Demütigungen sich die Menschheit für den soziopathischen Smalltalk miteinander hatte einfallen lassen. Und noch erstaunlicher, dass seine grauen Zellen die ganze Sammlung gespeichert und nun auf Abruf parat hatten. Freigiebig teilte er weiter aus.

 

 

Die unerschöpflichen Tiraden verwoben sich mit dem Rasseln der Kettenglieder und dem Fauchen des Schuppenmonsters zu einem seltsam grotesken Duett. Darauf war der egozentrische Lindwurm nicht eingestellt. Normalerweise hätte er nur einen einzigen Feuerstoss Richtung Fensterrahmen geschickt und die aufmüpfige Wache final flambiert.  Ein abschreckendes Exempel, um jeglicher Versuche, ihn mit den unzulänglichen Mitteln menschlicher Militärtechnik aufhalten zu wollen, im Keim zu ersticken. Er war unverwundbar. Die perfekte Mischung aus magisch-reptilischer Drachenschuppenpanzerung und vernichtender Feuerkraft. Doch was war hier schon normal? Das blöde Bajonettgepiekse ging ihm auf den Senkel. Hatte der vorwitzige Uniformträger nicht erkannt, mit wem er es zu tun hatten? Nicht kapiert, dass er mutterseelenallein und ohne jegliche Armeeunterstützung gegen einen Weltenzerstörer antrat? Schlimmer noch: hatte er selbst so lange geruht, dass die Erdbewohner ihn und seine stolze Rasse… vergessen hatten?

Während er noch stutzte und versuchte, den Wortschwall zu verarbeiten schoss ein miefiger Luftzug an ihm vorbei.  Zugleich zog sich der alte Soldat in den Turm zurück. Beim Versuch, beiden zugleich einen Hochtemperatur-Vernichtungsstrahl hinterherzuschicken, blieb ihm derselbe in der Kehle stecken. So etwas war ihm noch nie passiert. Er, dem kein Bissen zu gewaltig war, hatte sich verschluckt.

 

 

Der Drache fühlte, wie es in ihm brodelte. Da stand er nun wie Pik Sieben in der Pampa. Er, der großartigste, großspurigste und zugleich kleinkarierteste Vertreter seiner fast ausgestorbenen Art. Er, der übermächtige Immobilienmogul, der mit tropfsteinernen Drachenhöhlen und himmelstürmenden Burgtürmen zu einem gigantischen Goldhort gekommen war. Er, dessen spontaner Feuerhauch sofort Gesetz war, der Fürstentümer zum Frühstück verzehrte und sich vor Bewunderern kaum retten konnte. Bis die schwarze Kunst sich auf Druckerschwärze reduzierte und unzählige Gazetten die unselige Sache mit den Jungfrauen hinausposaunten. Selbstredend war alles von A bis Z von den Schmierfinken erlogen. Angesichts der magersüchtigen örtlichen Catwalk-Weiblichkeit hatte er seine Diät längst auf Spanferkel umgestellt. Außerdem kam er schon damals langsam in die Jahre. Dann hatten diese Leseratten ihn mühelos ausgetricks, überwältigt, eingekerkert und… schnöde vergessen. Ihn, den unvergleichlichen, den göttergleichen Drachenkönig mit einem Namen wie Donnerhall: Weißglut von Egotrump.

Endlich war er zurück auf der Weltbühne. Und das Unfassbare geschah: Keine Sau interessierte sich wirklich für Ihn.  Das Spanferkel in spe war ausgebüxt, der stichelnde Soldat hinter feuerfesten Mauern verschwunden und der schisshasige Gehrockträger weit ausserhalb seines lavaspeienden Grillbereichs. Das Gegenteil eines glanzvollen Comebacks. Er würde seine PR-Berater feuern. Auf kleinster Flamme.

 

 

Doch was war das? Unvermittelt schreckte Weißglut aus seinen Rachefantasien auf. Auf Kniekehlenhöhe quiekte ihn etwas an. Das Schwein war zurück! Wollte es sich demütig als Appetithappen melden, wie es einem Herrscher auf dem Drachenthron zukam? Aber warum wirkte es nicht ängstlich, unterwürfig und schicksalsergeben? Dieses Quieken klang klar, fest und entschlossen. Als er endlich den Sinn verstand, blieb ihm erneut die Feuerspucke weg. Dann sah er erstaunt, wie sich die Nackenborsten des erhofften Snacks aufstellte. Die Sau scharrte mit den Pfoten und… schnaubte grimmig! Moment, das war doch sein eigener Job? Was stimmte nicht mit dieser Welt? Lag er immer noch im Verlies und träumte einen Albtraum?

 

 

Ohne jedes Vorzeichen stürmte Frieda los. An ihm vorbei. Schon wieder. Doch diesmal zündete seine Feuerlohe. Klassischer Drachenreflex. Abfackeln, ohne lange zu fackeln. Kaltblütiger Aktionismus. Ein bewährtes Erbe aus glorreichen Saurierzeiten. Bis die hektischen, heißblütigen Säugetiere die Regeln änderten. Nicht mehr „Die Grossen fressen die Kleinen“ sondern „Die Schnellen schnappen die Langsamen“. Wie zum Beweis hatte das Rüsselschnäuzchen ihn jetzt beim Kaltstart locker abgehängt.

Die Erkenntnis schlug ihm auf den Magmamagen. Sodbrennen stellte sich ein. Wie besessen zerrte er an der Kette. Sie gab nicht nach. Aus der Ferne starrten ihn verschmitzte Äuglein an.

Er hatte es erneut vermasselt. Seine Rache würde fürchterlicher werden, als die allerschlimmsten apokalyptischen Prophetien. Mit aller Kraft stemmte er sich gegen seine Fesseln. Sie würden fallen. Es war nur eine Frage der Zeit. Und die hatten Drachen im Übermass. So alt wird kein Schwein. Dennoch musste er den Bann noch zu Lebzeiten diese Würmer brechen. Sonst brachten sie ihn um den ganzen Spass. Gräber zu Schänden war keine Alternative zur Flammenfolter. Brüllend und geifernd schlug er die Kette gegen die Basteiwand.

 

 

In vollem Schweinsgallop und mit der Furcht vor dem Drachenfeuer im Rücken war Frieda doch tatsächlich am Glücksklee vorbeigeprescht. Direkt in die Arme Spitzwegs, der sich einige Meter aus der Deckung gewagt hatte. War er wirklich so an ihrem Wohlergehen interessiert, oder machte er sich nur berufliche Sorgen um den Borstennachschub für seine Pinsel? Wie auch immer – sie musste ihre strenge Kleediät einhalten. Ansonsten würde das Glück versiegen. Jetzt, wo sie und der alte Soldat es am Dringensten brauchten.

Augen zu, und durch! Frieda machte sich bereit. Nur noch einmal tief Luft holen. Ihr kurzes Zögern rettete ihr die Schwarte. Weißglut ließ unvermittelt von den Ketten ab, blickte besonders bösartig und blies einen sonnenhellen Gluthauch in Richtung… Sonnenblumen. Blühten sie gerade noch in ganzer Pracht, so verging alle Schönheit im Hochgeschwindigkeitszeitraffer. Was das Auge seit Tagen erfreute und dem Betrachter das Herz aufgehen ließ, zerfiel zu hässlicher, schwarzer Asche. Wenn der sattgrüne Klee überhaupt noch einen letzten Glücksmoment erlebte, wurde auch dieser vom Drachenfegefeuer hinweggefegt. Fortunas Acker war verwüstet. Mit Stumpf und Stiel ausgelöscht.

 

 

Dunkler Rauch und Brandgeruch verdüsterten den heiteren Tag. Weißglut von Egotrump wurde von einem spontanen Anflug guter Laune durchflutet. Das hatte gesessen! Trotz des holperigen Starts würden sich die Dinge grandios entwickeln. Die Würmer würden sich winden. Er würde sich an ihrem Anblick weiden. Grandios – aus seiner ganz persönlichen Drachensicht. Eine andere kannte er ohnehin nicht. Sie hätte ihn auch nicht im Mindesten interessiert.

(Fortsetzung folgt.)

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